Die letzte Meile – Teil 2 Radlogistik – Vor Jahren dachte ich bei solchen Worten noch an coole Fahrradkuriere die mit ihren Rädern durch die Innenstädte rasen und besonders schnell Sendungen von A nach B bringen. Durch die allgemeine Digitalisierung hat sich einiges geändert, auch der Job als Fahrradkurier wird immer vielfältiger und interessanter. Aus dem schnellen Botendienst wird jetzt ein weites Spektrum an Dienstleistungen. Pakete, Paletten mit Stückgut, Essen, Blumen, Tiefkühlware und vieles mehr kann im Bereich der Radlogistik bestellt werden. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt, die einzigen Grenzen setzen schwere Radinfrastrukturen oder fehlende Lastenradhersteller die besondere Bedürfnisse des Marktes abdecken können.
Radlogistik Konferenz 2019
In der letzten Woche war es dann soweit, die Experten der Branche trafen sich zu ihrer ersten Radlogistik Konferenz in Berlin und diskutierten rege über das was man sich wünscht bzw. was man fordert. Im Vorfeld habe ich viel darüber recherchiert, was bedeutet die letzte Meile in der Radlogistik. Welche Hersteller konzentrieren sich auf das Thema „Warensendungen mit dem Rad von A nach B zu bringen“, was macht überhaupt die Gesetzgebung zu die Thema. Es kommt aber alles anders als gedacht, auf der Radlogistik Konferenz gab es sehr viele Eindrücke und viele Experten haben über aktuelle Probleme referiert . Es war eine sehr interessante Konferenz mit vielen neuen Inputs.
Pilotprojekt KoMoDo
Die »Kooperative Nutzung von Mikro–Depots durch die Kurier-, Express-, Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern in Berlin« (KoMoDo) ist ein bisher einmaliges Forschungsprojekt, an dem sich die fünf größten nationalen Paketdienstleister beteiligen. Im Fokus stehen die nachhaltige Auslieferung von Paketen auf den letzten Kilometern per Lastenrad, sowie der Einsatz eines dienstleisteroffenen Systems von Mikro-Depots in einem Stadtteil.
Alle 5 großen KEP-Dienstleister nehmen an diesem Modellprojekt teil. Die zwölfmonatige Projektphase ist im Sommer 2019 ausgelaufen, trotzdem wird das Mikro-Depot weiter betrieben und die Paketdienstleister DHL, UPS, Hermes, GLS und DPD beliefern von hier aus ein Umkreis von 3 km. Laut Aussage eines Betreibers werden 80.000 Haushalte von diesem Mikro-Depot mit Paketen beliefert. Während des einjährigen Feldversuchs wurden ca. 28.000 km konventionelle Fahrzeug Kilometer eingespart, was einer Reduktion von ca. 11 t CO2 entspricht. Insgesamt wurden von allen KEP-Dienstleistern 160.000 Pakete über das Mikro-Depot mit bis zu elf Lastenrädern im Zustellgebiet ausgeliefert. Ein Faktenblatt zu KoMoDo gibt er hier.
Natürlich gibt es Probleme, Dr. Julius Menge von der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz wies in seinem Vortrag noch einmal auf die Schwierigkeit hin geeignete Flächen für Mikro-Depots zu finden. Die Depots müssen sich am besten mitten im Verteilungsgebiet befinden und die Möglichkeit haben das man sie mit großen Fahrzeugen anfahren kann um die Pakete aus dem Hauptdepot anzuliefern. Die Nutzung von normalen 40 Fuß Containern hat sich für den Test als funktionsfähig herausgestellt. Abends werden die Lastenräder in den Containern eingeschlossen und tagsüber lagern dort die zur Auslieferung sortierten Pakete.
Mikro-Depots
Im Laufe der Konferenz bekam man eine andere Sicht über das was ein Mikro-Depot überhaupt ist. Bei KoMoDo geht es um ein stationäres Depot das so angelegt ist den Umkreis von 3 km mit Paketen zu beliefern. Jörg Albrecht Inhaber von CLAC Citylogistik aus Aachen zeigte seine Idee des Mikro-Depots. In Aachen arbeitet das Unternehmen insgesamt mit drei festen Mikro-Depots verteilt über die Stadt und einem mobilen Mikro-Depot das genau dort eingesetzt werden kann wo es als Standort die meisten Haushalte bedienen kann. Die Rytle GmbH aus Bremen geht noch einen Schritt weiter, das Mikro-Depot kann per Fahrzeug an jede Stelle gebracht werden. Hier könnte man ohne feste Depotstrukturen arbeiten und das Mikro-Depot einfach auf einen freien Parkplatz abstellen. Immer genau dort wo es an dem Tag gebraucht wird.
Strukturelle Probleme Lastenrad
Aber auch beim Lastenrad gibt es einige Probleme die es zu lösen bedarf. Es gibt folgende rechtlichen Rahmenbedingungen zum Einsatz von Lastenrädern im Straßenverkehr. Lastenräder zählen auf Grund ihrer Beschaffenheit rechtlich zu den Fahrrädern. Daher entfallen Zulassungs-, Versicherungs-, Führerschein und Helmpflicht.
Beschaffenheit der Räder
Lastenräder mit und ohne E-Antrieb gelten bei folgenden Abmessungen und Leistungsstärken rechtlich als Fahrräder die Abmessungen sind im §32 der StVZO geregelt.
(9) Abweichend von den Absätzen 1 bis 8 dürfen Kraftfahrzeuge nach § 30a Absatz 3 folgende Maße nicht überschreiten:
1. | Breite: | ||
a) | bei Krafträdern sowie dreirädrigen und vierrädrigen Kraftfahrzeugen | 2,00 m, | |
b) | bei zweirädrigen Kleinkrafträdern und Fahrrädern mit Hilfsmotor jedoch | 1,00 m, | |
2. | Höhe: | 2,50 m, | |
3. | Länge: | 4,00 m. |
Eine elektrische Tretkraftunterstützung bis 25 km/h mit einer Nenndauerleistung bis 250 Watt sowie eine Anfahrhilfe bis 6 km/h ist zulässig
Für diese Lastenräder gelten alle Rechte und Pflichten, die für Fahrräder gelten. Zu den Pflichten gehören die Ausführungsvorschriften (zwei unabhängige Bremsen, Beleuchtung, Reflektoren, Klingel, evtl. ein Rückspiegel bei größeren Lastenrädern).
Eine feste rechtliche Begrenzung des Gesamtgewichts von Lastenrädern gibt es nicht. Allerdings darf die Ladung den sicheren Betrieb nicht beeinträchtigen.
Nun kommen wir zum Verhalten im Straßenverkehr
Lastenräder dürfen im Gengensatz zu Kraftfahrzeugen:
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Radwege und für den Radverkehr freigegebenen Einbahnstraßen, Busspuren, Gehwege und Fußgängerzonen benutzen
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an wartenden Autos am rechten Fahrbahnrand langsam vorbeifahren
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Parken und Halten auf dem Gehweg (wenn Fußgänger nicht behindert werden) und genau wie Kraftfahrzeuge am Fahrbahnrand (aber nicht unbeleuchtet bei Dunkelheit) sowie auf kostenpflichtigen Parkplätzen mit Parkschein
Bei entsprechender Ausschilderung gilt die Radwegebenutzungspflicht. Allerdings sind mehrspurige Lastenräder davon ausgenommen, wenn die Breite des Radweges nicht ausreicht.
Moderne Lastenräder
Moderene Lastenräder von Velove, Ono, Citkar oder Rytle transportieren extra konzipierte Wechselboxen und ermöglichen dem Fahren diese schnell zu tauschen. Die Wechselboxen können in den Mikro-Depots vorgemacht werden. Alle Räder sind elektrisch unterstützt und haben teilweise eine Fahrgastzelle die dem Fahrer einen Wetterschutz bietet. So kann man auch eine 8 Stunden Schicht trocken überstehen. Alle Hersteller halten eine Breite unter 1 Meter ein um bei einer Radwegebenutzungspflicht keine Probleme zu bekommen. Aktuell nutzen die meisten Hersteller noch Fahrradtechnik in allen Bereich, speziell bei der Bremsanlagen und der Bereifung. Allerdings wurde auf der Radlogistik Konferenz bereits der Wunsch an die Hersteller geäussert hier eigene leistungsstärkere Produkte zu entwickeln. Die Verschleissgrenzen bei Fahrradbremsen sind bei einem modernen Lastenrad schnell erreicht. Moderne Zustellfahrzeuge müssen den Komfort und die Sicherheit bieten einen täglichen Einsatz zu überstehen.
Mein Fazit
Städte wie Berlin, Bremen, Hamburg oder Hannover entwickeln eigene teilweise unterschiedliche Konzepte zur Citylogistik. Durch Verbände wie den Radlogistikverband kommen hoffentlich Experten dazu die ihre Erfahrungen konzentriert an Städte vermitteln und durch ihre Kompetenz den KEP-Dienstleistern die Möglichkeit geben viele Sendungen statt mit dem Auto durch Lastenräder zu transportieren. Es gibt in allen Bereichen noch Entwicklungspotential, eine nicht konforme StVZO, Lastenräder für die es nicht das verschleissarme Material gibt oder einfach kein Platz für Mikro-Depots in der Stadt. Viel Entwicklungspotenzial und ein Berufsfeld das es eigentlich schon lange gibt, das aber noch ganz am Anfang steht.